Graue Energie – Inhalt
- Was ist Graue Energie?
- Graue Energie: Bedeutung und Verständnis
- Graue Energie berechnen
- Graue Energie und Gebäude
- Welche Rolle spielt Graue Energie bei Photovoltaik?
- Was bedeutet Graue Energie bei Windkraft?
- Graue Energie und ihre Bedeutung für die Wärmepumpe
- Lebenszyklus und Graue Energie gehören zusammen
- Wie kann man Graue Energie vermeiden?
- FAQ
Was ist Graue Energie?
Unter "Graue Energie", auch "Primärenergie" genannt, versteht man Energie, die zur Herstellung von Gütern, aber auch zum Bauen von Gebäuden zum Einsatz kommt. Sämtliche Energie also, die zum Gewinnen, Verarbeiten und Transport von Bestandteilen, aber auch Personen, rund um die Baustelle zum Einsatz kommt. Zu Grauer Energie zählt aber auch der Rückbau beziehungsweise die Entsorgung. Graue Energie wird mehr, je größer die zu überbrückenden Distanzen sind und je aufwändiger die Herstellung ist. Hierbei entstehen entsprechende Graue Emissionen. Graue Energie lässt sich also bereits reduzieren, wenn beispielsweise regional verfügbare Baustoffe verwendet werden.
Was ist Graue Energie? | Bildquelle: AdobeStock_Yauhen
Graue Energie: Bedeutung und Verständnis
In Zeiten knapper Rohstoffe und teurer Energie gewinnt Graue Energie an Bedeutung. Allein Antworten auf die Frage "Was ist Graue Energie bei Gebäuden?" können Seiten füllen. Trotz stetig stark steigender Bedeutung der Reduzierung von Primärenergie wurde die Graue Energie jedoch auch in das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2023 nicht aufgenommen. Das erstaunt, zumal die negativen Folgen durch Graue Energie erheblich sein können – für Umwelt, Klima und Gesundheit.
Die Berücksichtigung der Grauen Energie sollte stetig wichtiger werden, um einschätzen zu können, wie klimafreundlich ein Gebrauchsgegenstand, ein Lebensmittel oder ein vermeintlich energieeffizientes Gebäude wirklich sind. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über Graue Energie bei Gebäuden, Dämmstoffen, Baustoffen – aber auch Graue Energie im Bereich der Erneuerbaren Energien. Denn entgegen landläufigem Verständnis spielt Graue Energie auch im Zusammenhang mit regenerativen Energiesystemen häufig eine nicht unerhebliche Rolle.
- Graue Energie einfach erklärt: Graue Energie als nicht-erneuerbarer Primärenergiebedarf über die gesamte Produkt- oder Gebäudelebensdauer ist jeglicher vor- und nachgelagerte Energieaufwand.
Graue Energie berechnen
Neben einem grundlegenden Verständnis der Bedeutung von Grauer Energie ist es wichtig und notwendig, jeweils enthaltene Graue Energie wenigstens anhand von einem Grundverständnis einordnen zu können. Denn Graue Energie zu berechnen ist schwierig – zumal es eine "Graue-Energie-Formel" nicht wirklich gibt. Umso wichtiger ist eine Annäherung an die Verortung Grauer Energie.
Graue Energie ist im Kontext der drei klassischen Dimensionen der Nachhaltigkeit namens Ökologie, Ökonomie und soziokulturelle Aspekte zu betrachten. Weiterhin steht Graue Energie stets in engem Zusammenhang mit dem Lebenszyklus von Gebäuden oder Produkten, sowie dem Cradle-to-Cradle-Ansatz – also kompletter Wiederverwertung anstelle von Cradle-to-Grave, wobei es sich um keinen Zyklus, also auch keine Wiederverwendung handelt. Laut dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) kann Graue Energie erst im Rahmen einer solchen Lebenszyklusbilanzierung entsprechend bewertet werden.
Für Graue Energie gibt es einige relevante Kennzahlen, die aber durch ihre Menge die Berechnungen recht komplex machen. Für eine umfassende Berechnung im Hinblick auf Gebäude sind Gebäudedaten wie Standort, Heizungsart oder Energiestandard notwendig. Hinzu kommen Material, Bauphysik, Energetik und Bilanzen.
Eine andere und etwas einfacher anzuwendende Graue-Energie-Formel bietet die Umrechnung in CO2-Äquivalente. Bei einem CO2-Äquivalent handelt es sich um ein Maß für das Treibhauspotenzial eines Stoffes sowie die klimaschädliche Wirkung. Um eine Vergleichbarkeit herzustellen, wird das Erwärmungspotenzial (GWP, Global Warming Potential) auf die Klimawirksamkeit von CO2 (Kohlenstoffdioxid) umgerechnet.
- Der GWP von CO2 beträgt also 1
Kennen Sie nun den GWP eines Produktes oder dessen Bestandteile, so können Sie erkennen, wie klimaschädlich es im Vergleich zu Kohlenstoffdioxid ist. So können Sie sich an die aufgebrachte Menge an Grauer Energie annähern, welche das jeweilige Produkt oder auch das betreffende Gebäude verursachen. Gelegentlich werden auch Ökobilanzen erstellt, die Auskunft zur aufgebrachten Menge an grauer Energie geben.
Das Vergleichsportal Verivox hat einige Beispiele für aufgebrachte Energieintensitäten verschiedener Produkte zusammengetragen, unter anderem:
- 1 kg Schokolade = 2,5 kWh
- Tageszeitung mit 90 Seiten = 7,5 kWh
- Mittelklasseauto = 18 kWh
Auf diese Weise ließe sich zum Beispiel auch benennen, wie viel Graue Energie in Diesel oder Benzin steckt – oder welche Menge an Grauer Energie einer LED-Leuchte zugrunde liegt.
Graue Energie und Gebäude
Laut der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) entstehe gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes während dessen Herstellung und Errichtung. Damit entsteht ein Drittel der Grauen Energie beim Hausbau noch vor dessen eigentlicher Nutzung. Doch danach geht es weiter: Laut Bundesregiering stammen 16 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland (Stand 2021) aus dem Gebäudesektor. Werden indirekte Emissionen, also zum Beispiel Fernwärme, hinzugezählt, dann sind Gebäude für rund ein Drittel der Gesamtemissionen in Deutschland verantwortlich. Laut Umweltbundesamt (UBA) hat der Gebäudesektor 2021 etwa 115 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verursacht.
Laut Statista verursachte das Bauhauptgewerbe im Jahr 2020 3.976 Tausend Tonnen CO2-Äquivalent – also Graue Energie, da die Emissionen bereits entstanden, bevor die Nutzungsphase überhaupt begonnen hatte. Graue Energie ist in Immobilien also bereits ein Thema, bevor sie fertiggestellt sind. Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung macht Graue Energie in Gebäuden etwa ein Viertel der Gesamtemissionen aus. Hinzu kommen später die oben beschriebenen Emissionen, die während er Nutzung der Bauten anfallen.
Die Graue Energie von Gebäuden im Vergleich zeigt: Sanierung und Umbau sind stets dem Neubau vorzuziehen, um Graue Energie zu reduzieren. Denn Graue Energie entsteht bereits bei der Herstellung und Bereitstellung von Materialien, die zum Hausbau, also Neubau, benötigt werden. Je energiesparender ein Haus im späteren Betrieb ist, desto mehr Primärenergie wird grundsätzlich für dessen Herstellung aufgewendet. Zum Beispiel verursachen die Dämmmaterialien für ein Passivhaus besonders viel Graue Energie.
Der Anteil Grauer Energie an Gebäuden lässt sich also durch Sanierung beziehungsweise Renovierung im Vergleich zum Neubau deutlich reduzieren. Diese Aussage stützt unter anderem der Verein Architects for Future. Er fordert Architekten auf, Abriss kritisch zu hinterfragen, gesunde und klimapositive Materialien zu verwenden und kreislaufgerecht zu konstruieren.
Graue Energie: Baustoffe
Um die Graue Energie darzustellen, die durch verschiedene Baustoffe verursacht wird, geht es noch einmal um das Berechnen und Messen. Der Primärenergiebedarf eines Materials wird in Megajoule pro Kilogramm Material angegeben (MJ/kg). Die nachfolgend aufgeführten beispielhaften Werte entstammen der Publikation "Ökobilanzdaten im Baubereich" vom Büro für Umweltchemie, Schweiz.
Graue Energie Baustoffe: Tabelle
Material | Bezug | Primärenergie, nicht erneuerbar (MJ) |
Sand und Kies | kg | 0,062 bis 0,136 |
Natursteinplatten | kg | 9,14 bis 15,16 |
Zement | kg | 3,60 |
Backsteine und Dachziegel | kg | 2,56 bis 3,83 |
Dämmbeton | kg | 4,40 |
Gipskartonplatte | kg | 50,1 |
Gipsputz | kg | 2,60 bis 2,62 |
HPL-Fassadenplatte | qm | 740 |
Graue Energie in der Wärmedämmung zu bestimmen, ist noch etwas komplizierter als bei anderen Produkten. Ob es sich um EPS, XPS, Steinwolle oder Mineraldämmwolle handelt: Die Graue Energie in Dämmstoffen spielte sehr lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Relevant waren dabei nur die Nutzungszeit in Verbindung mit Einsparung, also ökonomische Amortisation. Daher ist es nach wie vor sehr schwierig, die für die Berechnung Grauer Energie von Dämmstoffen notwendigen Grundlagendaten zu erhalten.
Welche Rolle spielt Graue Energie bei Photovoltaik?
Während ihres Betriebs verursacht Photovoltaik keine Emissionen. Wohl ist dies aber bei ihrer Herstellung der Fall. Die Graue Energie bei der Herstellung der PV-Module ist nicht zu unterschätzen. Wie der Experte Volker Quaschning aber in der Auflistung verschiedener Untersuchungen zeigt, sank der Primärenergiebedarf bei der Herstellung von Solarzellen über die Jahre. Hintergrund sind optimierte und energiesparendere Herstellungsmethoden.
Die Graue Energie in modernen Solarpanelen ist dennoch vorhanden. Allerdings ist die energetische Amortisation nach etwa 1,5 Jahren möglich. Einige Hersteller geben sogar Werte von unter einem Jahr an. Wichtig ist dabei, den Einsatz der Primärenergie zur Herstellung von PV-Modulen dabei so gering wie möglich zu halten. Das ist etwa umsetzbar, indem man auf Photovoltaik aus Deutschland setzt, die idealerweise selbst mit erneuerbarer Energie hergestellt wird.
Was bedeutet Graue Energie bei Windkraft?
Wird mithilfe von Windkraft Strom erzeugt, so entstehen 20 bis 40 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Wird hingegen mit Braunkohle Strom erzeugt, so sind es rund 1,2 Kilogramm. Laut greenwatt.ch erzeugt eine Windenergieanlage während ihrer Laufzeit von 20 bis 25 Jahren etwa 40-mal so viel Energie, wie für Herstellung, Nutzung, Montage und Entsorgung notwendig ist. Weiterhin spricht für Windkraft und dessen Klimafreundlichkeit, dass im Jahr 2021 etwa 86 Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden konnten. Zum Vergleich: Durch Photovoltaik waren es 34 Millionen Tonnen. Diese hohen Einsparungen sind also geeignet, die Graue Energie für Windkraftanlagen auszugleichen.
Vermiedene Treibhausgas-Emissionen durch Erneuerbare Energien | Bildquelle: Umweltbundesamt unter Verwendung von Daten der AGEE-Stat
Graue Energie und ihre Bedeutung für die Wärmepumpe
Wärmepumpen gelten zunehmend als beste klimafreundliche Alternative zu fossilen Heizungssystemen. Doch wie sieht es mit ihrem Primärenergiebedarf aus? Tatsächlich gibt es hierzu noch kaum Zahlen zu finden. Daher kann man sich dem Einsatz Grauer Energie und somit der Klimafreundlichkeit von Wärmepumpen auf anderem Wege nähern. Wie etwa ist es um die Recyclingfähigkeit bestellt? Ein Experte vom Fraunhofer ISE etwa sagt in einem Interview, dass sich die in einer Wärmepumpe verwendeten Materialien grundsätzlich zum Recycling eignen, ein Kreislauf also möglich ist.
Lebenszyklus und Graue Energie gehören zusammen
Um Graue Energie in Bezug auf ein bestimmtes Produkt umfassend bewerten zu können, muss sie im Rahmen einer Lebenszyklus-Analyse sowie einer Ökobilanz betrachtet werden. Bei der Lebenszyklus-Analyse, auch Life Cycle Assessment (LCA) wird die Umweltwirkung eines Produktes während seines gesamten Lebensweges analysiert. Hierzu gehört die Untersuchung der Umweltwirkungen während Produktion, Nutzung und Entsorgung. Auch vorgeschaltete Prozesse gehören dazu wie etwa die Herstellung der Rohstoffe oder der Betriebsstoffe.
Lebenszyklus-Analyse | Bildquelle: AdobeStock_Double Brain
Oftmals wird die Ökobilanz synonym für die LCA verwendet. Die Ökobilanz wird in den ISO-Standards 14040:2006 und 14044:2006 international festgelegt. Im deutschen Normenwerk handelt es sich um DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044. Zur Ökobilanz gehören die Abschnitte Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen, Sachbilanz, Wirkungsabschätzung und Auswertung. Eine große Schwierigkeit beim Erstellen einer Ökobilanz ist – ähnlich wie beim Berechnen der Grauen Energie – die stark eingeschränkte Verfügbarkeit von umweltbezogenen Daten. Dennoch ist eine vollständige Umweltbilanz notwendig, um bestimmte, wichtige Umweltzertifikate zu erhalten, etwa den Blauen Engel.
Wie kann man Graue Energie vermeiden?
Graue Energie lässt sich am besten reduzieren, wenn bestimmte Grundsätze konsequent verfolgt werden. Es beginnt mit dem Herstellungsort von Produkten. Je lokaler sie erzeugt wurden, umso kürzer ist der Transportweg – das spart Graue Energie. Weiterhin ist eine Herstellung auf Basis von möglichst natürlichen Materialien relevant. Dabei senkt auch eine möglichst hohe Wertigkeit den Anteil an Grauer Energie.
Weiterhin ist es sinnvoll, Geräte und Produkte sorgsam zu behandeln und sie falls möglich zu reparieren anstatt sie sofort zu ersetzen. Denn so wird die Graue Energie eingespart, die für die Herstellung eines weiteren Gerätes aufgewendet werden müsste. Zum Reduzieren Grauer Energie trägt außerdem die Sharing-Kultur bei. Wenn mehrere Personen sich ein Fahrzeug teilen, anstatt sich je ein eigenes zu kaufen, bedeutet dies aktive Vermeidung Grauer Energie. Dasselbe gilt beim Umgang mit Gegenständen, die man nicht mehr braucht: Es ist besser, sie gebraucht zu verkaufen oder zu verschenken, anstatt sie einfach in den Müll zu werfen. Denn auch die Entsorgung erzeugt Graue Energie, weshalb es sinnvoll ist, das Ende des Produktlebenszyklus so lange wie möglich hinauszuzögern. Muss etwas dennoch entsorgt werden, so ist möglichst auf Recycling zu achten.
Was für Produkte im Hinblick auf das Vermeiden von Grauer Energie gilt, kann auch auf Gebäude übertragen werden. Ertüchtigung und Sanierung von Bestand ist in den meisten Fällen der Variante Abbruch und Neubau vorzuziehen, wenn es um das Reduzieren beziehungsweise Vermeiden von Grauer Energie geht.